Ayder Hospital Klinikdirektor Dr. Kibrom Gebreselassi und Mekelle Bürgermeister besuchen Witten und Frankfurt
Der Wittener Bürgermeister Lars König empfängt die beiden Abgesandten aus Tigray im Rathaus gemeinsam mit Teilen des Vorstandes von Etiopia-Witten um ihnen zu danken
In der Zeit vom 1. bis 9. November 2024 kam der Chief Executive Director der Ayder Universitätsklinikums in Mekelle, der Hauptstadt der äthiopischen Nordprovinz Tigray, Herr Prof. Dr. Kibrom Gebreselassi Desta auf Einladung der Stadtverwaltung Witten und des Vereins Etiopia-Witten nach Witten und Frankfurt. Mit ihm reiste der Bürgermeister der Schwesterstadt Wittens, der Stadt Mekelle, Herr Hailu Yetebarek Amaha, um die im Krieg zum Erliegen gekommene Städtepartnerschaft wieder aufleben zu lassen.
Am Dienstag, den 5. November wurden beide, gemeinsam mit Teilen des Vorstandes von Etiopia-Witten, vom Wittener Bürgermeister Lars König im Rathaus empfangen.
Von links nach rechts: Ahmedin Idris (Vorstand EW), Hailu Yetebarek Amaha (Bürgermeister aus Mekelle), Lars König (Wittener Bürgermeister), Dr. Kibrom (Direktor Ayder Hospital Mekelle), Jürgen Jeremia Lechelt(Vorstand EW)
Dort übergab der Bürgermeister der Stadt Mekelle dem Wittener Bürgermeister ein Zertifikat des Dankes der Stadt Mekelle in Tigrinya Sprache als Geschenk für die Stadt Witten.
Gemeinsam mit Bürgermeister Lars König überreichte der Vorstand von Etiopia-Witten ein Zertifikat des Dankes an Dr. Kibrom Gebreselassi Desta in englischer Sprache. Dies dankt ihm für seine erfolgreiche Organisation der von den Bürgern Wittens über den Verein Etiopia-Witten finanzierten Hilfsprogramme vor Ort Not leidenden Menschen in Tigray.
Bei diesem Treffen mit dem Bürgermeister Lars König berichteten die äthiopischen Besucher ausführlich über die aktuelle, weiter prekäre Situation in der Stadt Mekelle und im gesamten Äthiopien. Im Anschluss daran erfolgte ein Rundgang durch das Rathaus.
Von links nach rechts: Ahmedin Idris (Vorstand EW), Hailu Yetebarek Amaha (Bürgermeister aus Mekelle), Lars König (Wittener Bürgermeister), Dr. Kibrom Gebreselassi Desta (Direktor Ayder Hospital Mekelle), Dr. Christian Leuner (Vorstand EW)
Um dem Bürgermeister aus Mekelle einen Eindruck über kommunale Einrichtungen in Witten zu geben, besuchte er die Wittener Müllabfuhr. Der Leiter dieser Dienststelle erklärte ausführlich über die Aufgaben und Möglichkeiten der Müllabfuhr und deren Gerätepark.
Von links nach rechts: Thomas Bodang (Leiter der Müllabfuhr Witten), Dr. Kibrom Gebreselassi Desta (Direktor Ayder Hospital Mekelle), Ahmedin Idris (Vorstand EW), Hailu Yetebarek Amaha (Bürgermeister aus Mekelle)
Besuch im Josefs Hospital in Bochum mit Dr. Friederike Lemm und Dr. Mulugeta Naizigi bei Prof. Dr. Christoph Hanefeld, dem Medizinischer Geschäftsführer, des Katholisches Klinikum Bochum. Dr. Kibrom bedankt sich bei diesem für die Unterstützung der gemeinsamen Programme für die Verbesserung der Hygienemaßnahmen im Ayder Hospital und die Spende von medizinischer Schutzkleidung für das Personal im Ayder Hospital.
Von links nach rechts: Dr. Jürgen Frech (Leiter Unternehmenskommunikation Katholisches Klinikum Bochum), Dr. Christian Leuner (Vorstand EW), Hailu Yetebarek Amaha (Bürgermeister aus Mekelle), Ahmedin Idris (Vorstand EW), Dr. Kibrom Gebreselassi Desta (Direktor Ayder Hospital Mekelle), Ahmedin Idris (Vorstand EW), Hailu Yetebarek Amaha (Bürgermeister der Stadt Mekell, Prof. Dr. Christoph Hanefeld (Medizinischer Geschäftsführer, Katholisches Klinikum Bochum), Dr. Friederike Lemm (Leitung Abteilung Krankenhaushygiene Katholisches Klinikum Bochum), PD Dr. Adriane Skaletz- Rorowski (Geschäftsführende Leitung WIR (Walk in Ruhr) Zentrum für Sexuelle Gesundheit). Dr. Mulugeta Naizigi (Wissenschaftlicher Mitarbeiter Katholisches Klinikum Bochum)
Der äthiopische Herzchirurg und Klinikdirektor Dr. Kibrom berichtet in Witten, Bochum und Frankfurt über die Arbeit im Ayder Universitätskrankenhaus in Mekelle während dem furchtbaren Tigray Krieg
Am vorausgegangenen Sonntag, den 3. November im Arday Hotel, im Anschluss an die Jahreshauptversammlung unseres Vereins Etiopia-Witten, hielt Dr. Kibrom einen Vortrag in englischer Sprache mit dem Thema: "Resilience under Siege" (Widerstandsfähigkeit unter Belagerungsbedingen). Er berichtete ausführlich und sehr detailreich über die schreckliche Notzeit während der zweijährigen Belagerung Tigrays 2020 bis 2022 und in der Folgezeit bis heute.
Er erinnerte daran, dass die COVID-19-Epidemie kurz vor Kriegsbeginn Äthiopien erreicht hatte und die Bevölkerung ohne Impfungen und ohne funktionsfähige medizinische Versorgung geblieben war, als die Krankheit auf dem Höhepunkt war. Es ist unklar geblieben, welchen Anteil die Covid-19 Epidemie an der extrem hohen Anzahl von 600.000 Toten in Tigray während des Krieges hatte.
Dr.Kibrom Gebreselassi Desta
Er schilderte, wie extrem schwierig es war, das Ayder Hospital als das einzige noch baulich intakte und nicht beraubtes Krankenhaus in Tigray in dieser Zeit für jeden kommenden Patienten offenzuhalten. Da die gesamte medizinische Infrastruktur in Tigray infolge des Krieges zerstört war, suchten die Patienten mit Erkrankungen jeden Schweregrades anders als vor dem Krieg das Ayder Hospital auf. Daher wurde es völlig überbelegt. Die Patienten saßen und lagen auch in allen Fluren und Treppenhäusern. Es gab weder Strom noch Geld für Diesel für die Stromgeneratoren. Da Diesel-Kraftstoff mit hohen Risiken nach Tigray geschmuggelt werden musste, waren die Dieselpreise um ein Vielfaches höher als vor dem Krieg. Die Sauerstofferzeugung für das Krankenhaus brach zusammen, sodass zahlreiche Patienten in den Intensivstationen, auch mehrere Kinder dort starben.
So wurden und werden die schwer kranken oder verletzten Menschen über sehr lange Strecken, teilweise über mehrere Tage zum Ayder Hospital getragen, um dort festzustellen, dass keine Medikamente vorhanden sind und sogar im Krankenhaus die Patienten und das Personal hungerten.
Die Medikamentenvorräte erschöpften sich rasch und es gab bis auf medizinische Notfallsets zur chirurgischen Behandlung von Kriegsverletzungen des Internationalen Roten Kreuzes keinen Nachschub.
Nach Ende der militärischen Auseinandersetzungen schickte Dr. Kibrom unter anderem Personal aus dem Ayder Hospital zu den außerhalb von Mekelle gelegenen, zerstörten und beraubten Kliniken. Dort suchten sie in den Trümmern nach Resten von Medikamenten, seien ihre Verwendungsdaten nun überschritten oder nicht. Dies war hilfreich, um einen Teil der Patienten im Ayder Hospital behandeln zu können.
In diesem Zustand befinden sich teilweise noch bis heute fernab liegende Krankenhäuser in Tigrays Provinz.
Wegen der geschlossenen Banken und fehlenden Einkünfte waren in der Zeit der Belagerung alle Patienten mittellos und konnten für die Behandlung nicht bezahlen. Dies galt auch für das Personal des Ayder Hospitals, das ohne Gehalt weiter dort ihre Arbeit verrichtete. Es hungerte mit ihren Angehörigen. Sogar Ärzte mussten ihre Kinder wegen Mangelernährung notfallmäßig in das Ayder Hospital bringen, wo jedoch auch nur spärliche Hilfe möglich war.
Dr. Kibrom schilderte, wie verzweifelt er und die anderen Ärzte im Ayder Hospital Wege suchten, die Nachrichtenblockade für Tigray zu überwinden und die Welt auf die Not dort aufmerksam zu machen. Dies gelang nur selten mithilfe von Satellitentelefonen des Internationalen Roten Kreuzes, Nachrichten im Internet, wie diese, zu veröffentlichen.
Dr. Kibrom hob in diesem Zusammenhang hervor, wie wichtig die auf sehr atypischen Wegen angekommenen finanziellen Hilfen in örtlicher Währung von Etiopia-Witten für die Ernährung des Personals des Ayder Hospitals in Zeit der Belagerung waren. Mit diesem Geld konnte auf dem schwarzen Markt geschmuggeltes Mehl, Pflanzenöl und pflanzliche Nahrung gekauft und Mahlzeiten in der Klinik zubereitet werden. Etiopia-Witten sei die einzige Hilfsorganisation gewesen, die zu dieser Zeit Wege gefunden habe, dem Ayder Hospital substanzielle Hilfe zu leisten. Es profitierte nicht nur das Personal der Klinik, sondern auch hungernde Schwangere und stillende Mütter sowie Mütter mit kleinen Kindern.
(Näheres ist auf dieser unserer Webseite beschrieben)
Die Live Saving Kitchen versorgt zweimal täglich die notleidenden Mütter mit einer warmen Mahlzeit
Diesen Vortrag hat Kibrom auch in der Ruhr-Universität Bochum vor der NOAH Masterklasse -Joint Master's Degree in International Humanitarian Action -an der Ruhr-Universität in Bochum gehalten, wo er auf sehr großes Interesse gestoßen ist. Die Studierenden aus vielen Ländern der Erde, die an diesem internationalen Studiengang mit dem Thema humanitäre Krisenbewältigung und der Arbeit von NGO's teilnehmen, hatten nach dem Vortrag viele sehr spezielle Fragen besonders auch über die Ursachen des Tigray Krieges. Besonders Interesse hatten sie daran, was für Dr. Kibrom der Antrieb war und ist, das persönliche Risiko auf sich zu nehmen, sich gegen das Interesse der äthiopischen Zentralregierung mit seiner offenen und schonungslosen Beschreibung der Verhältnisse in Tigray während und nach dem Krieg so öffentlich zu äußern. Darauf antwortete Dr. Kibrom, dass sich sein Vorgehen überwiegend aus seiner ärztlichen Ethik und Verantwortung erklärt.
Später, am 7. November, hat Dr. Kibrom diesen Vortrag für Interessierte auf Einladung der Klinik für Infektiologie der Goethe-Universität Frankfurt gehalten. Auch dort ist er bei den überwiegend ärztlichen Zuhörern auf großes Interesse gestoßen.
Dr. Kibrom kam gemeinsam mit dem Bürgermeister von Mekelle am Sonntagmorgen, den 10. November wieder in Addis Abeba an. Dort konnte er seine Frau und die wenige Tage vor seinem Abflug nach Deutschland geborene Tochter in der Wohnung seiner Schwiegermutter gesund wieder sehen.