Bedingt durch den Tigray Krieg 2020 -2022 ist das Herzkatheterlabor im Ayder Hospital defekt. Daher sind bis zu seiner Wiederherstellung keine weiteren praktischen Workshops möglich
In Äthiopien sind Kinder mit angeborenen oder erworbenen Herzkrankheiten anders als in den entwickelten Ländern nahezu ohne ärztliche Betreuung. Dies unabhängig von der Schwere der Erkrankung. Aus diesem Grund sind sie in ihrer Entwicklung und Teilhabe am normalen Leben in Abhängigkeit des Erkrankungsgrads beeinträchtigt und versterben vorzeitig. Nur ein der Hauptstadt des Landes, Addis Abeba, und der Hauptstadt der Nordprovinz Tigray, Mekelle, sind mit Unterstützung von ausländischen Hilfsorganisationen an Universitätskliniken Abteilungen entstanden, in denen als Kinderkardiologen ausgebildete Ärzte tätig sind. Nur in Addis Abeba besteht die Möglichkeit in kleiner Zahl Herzkatheter-Behandlungen und Operationen am offenen Herzen, häufig mithilfe von ausländischen Kinderkardiologen durchzuführen.
In der Regel können in diesen kinderkardiologischen Abteilungen neben der körperlichen Untersuchung, EKG Registrierungen und Echokardiografien durchgeführt werden. Als Behandlung bleibt in der Regel nur eine medikamentöse Behandlung, soweit die häufig sehr armen Eltern diese finanzieren können, da in Äthiopien keine Krankenversicherung die Kosten übernimmt.
Da in der Universitätsklinik Ayder Hospital in Mekelle seit 2016 ein Herzkatheterlabor die Arbeit aufgenommen hat, wurde von dem leitenden Kinderkardiologen der Ludwig Maximilians Universität München, Prof. Dr. Nikolaus Haas im Jahr 2017 begonnen, für die dortigen Kinder- und Erwachsenenkardiologen Workshops zur Katherterbehandlung durchzuführen. Dies mit dem Ziel, mithilfe moderner Methoden und Techniken Kinder mit bestimmten Formen von angeborenen Herzkrankheiten nicht nur zu untersuchen, sondern zu heilen.
Die Kinderkardiologischen Workshops im Ayder Hospital Mekelle
Erster Kinderkardiologischer Workshop im Ayder Krankenhaus im Juli 2018 von Prof. Nikolaus Haas von der Universität München
Während eines fünftägigen Workshops vom 23. Juli bis 27. Juli 2018 im Ayder Referral Hospital der Mekelle Universität in Mekelle, der Hauptstadt der nördlichen Provinz Äthiopiens, wurden 15 Patienten im Katheterlabor mit großem, persistierendem Ductus Botalli (PDA) untersucht *. in 12 Fällen wurde der Verschluss mittels katheterbasiertem Verfahren mit dem Nit-Occlud PDA-R System von PFM-Medical erfolgreich durchgeführt. In drei Fällen waren die PDA größer als die verfügbaren Verschlusssysteme. Diese Patienten werden zur Operation angemeldet werden.
Der Workshop wurde vom Verein Etiopia-Witten Deutschland und Kardiologen des Ayder Hospitals organisiert. Er wurde von dem interventionellen Kinderkardiologen Prof. Dr. Nikolaus Haas durchgeführt, dem Direktor der Klinik für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin der LMU Ludwigs Maximilian Universität, Klinikum der Universität München.
Am ersten Morgen wurde ein Simulatortraining im Ayder-Herzkatheterlabor an einem von deutschen Medizinstudenten der Universität München entwickelten Silikon / Jod-Modell durchgeführt, das mit einem 3D-Drucker ausgedruckt worden war. Das Simulatortraining wurde mit originalem, jedoch abgelaufenen Kathetermaterialen durchgeführt. Die einbestellten Patienten wurden vorab klinisch und echokardiografisch untersucht. In den nächsten Tagen wurde von Prof. Haas eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Messung der Ductusgröße durch Röntgenangiografie und die Platzierung der Verschlussvorrichtung im PDA gegeben. Die im Herzkatheterlabor am meisten erfahrenen Kinder- und Erwachsenen-Kardiologen waren so am Ende des Workshops in der Lage, das Verfahren eigenständig erfolgreich durchführen.
Die Finanzierung der teuren Einwegmaterialien und der Verschlussvorrichtungen wurde von der Mekelle University übernommen.
* Ein PDA zeichnet sich durch das Fortbestehen einer normalen fetalen Verbindung zwischen der Aorta und der Lungenarterie aus, durch welche fehlerhaft sauerstoffreiches (rotes) Blut durch die Lunge zirkulieren. Ein großer PDA kann schwerwiegende negative Folgen nach sich ziehen. Neben frühem Lungenversagen können sich auch schwere, bleibende Schäden des Lungengewebes entwickeln. Darüber hinaus sind
bakterielle Infektionen des Herzens möglich.
Ende
Zweiter Workshop für angeborene Herzfehler in Mekelle vom Oktober 2018
Der zweite über Etiopia-Witten organisierte kardiologische Workshop im Ayder Referral Hospital in Mekelle mit Prof. Haas aus München zum Thema interventionelle Behandlung von angeborenen Herzfehlern stand unter dem Vorzeichen der Ballondehnung von verengten Pulmonalklappen (Herzklappe der Lungenschlagader). Ebenso wurde die Kenntnisse des Verschlusses des nach der Embryonalzeit offen gebliebenen Verbindung zwischen Lungen- und Körperschlagader (offener Ductus arteriosus Botalli) mit Hilfe von Herzkathetertechnik wiederholt. Anfangs wurden die Behandlungsprozeduren mit den Herzmodellen aus Silikon auf dem Herzkathetertisch mit den äthiopischen Ärzten eingeübt. Sie waren aus Deutschland mitgebracht worden. Es waren ein neues Modell mit stenosierter Pulmonalklappe und das verbesserte aus dem ersten Workshop mit offenen Ductus Botalli. Diese im Röntgenbild sichtbaren 3D-Modelle aus Silikon waren von den dieses mal nach Mekelle mitgereisten beiden Doktorandinnen bei Prof Haas, Barbara Sophie Brunner und Alisa Thierij, im Rahmen ihrer Promotionsarbeit entwickelt und hergestellt worden. Anschließend wurde die Behandlung der äthiopischen Patienten von den Kardiologen des Ayder Hospitals unter Anleitung von Prof. Haas erfolgreich durchgeführt. Es wurden insgesamt 6 Patienten untersucht. Bei drei Patienten konnte die Pulmonalklappe mit dem Ballon erfolgreich aufgeweitet werden und bei zwei Patienten der offene Ductus Botalli verschlossen werden. Bei einer Patientin war der Öffnung des Ductus Bottalli so weit, dass die vorhandenen Verschlusssysteme zu klein waren. Sie muss nun am Herzen operiert werden.
Bericht Kinderkardiologe Prof. Nikolaus Haas München
Bericht Medizinstudentin Barbara Sophie Brunner München
Dritter Workshop für angeborene Herzfehler in Mekelle vom 16. bis 20. Dezember 2019
Autorin: Carina Hopfner, Ingenieurin für Medizintechnik, M.Sc. LMU Klinikum München
Finanziert durch ein Klinikpartnerschaftenprojekt der GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit) konnte im Dezember 2019 der bereits dritte Workshop für die Pädiatrische Kardiologie – Angeborene Herzfehler im Ayder Referral Hospital stattfinden. Das Projekt läuft insgesamt zwei Jahre und sichert die Organisation von mindestens vier weiteren Hands-On-Workshops vor Ort.
Angeborene Herzfehler gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. So werden circa 11 von 1000 Babys mit einem angeborenen Herzfehler geboren. Einige dieser Fehler sind so bedeutend, dass die Kinder unbehandelt, das heißt meistens mithilfe einer Operation am offenen Herzen, im ersten Lebensjahr versterben. Viele Herzfehler sind weniger dramatisch, beeinträchtigen die Kinder in ihrem weiteren Leben jedoch erheblich, sodass diese jungen Patienten herzkrank ihre Kindheit und das spätere Erwachsenenleben erdulden müssen. Viele dieser Herzfehler lassen sich mithilfe der Herzkatheter Technik entweder komplett behandeln - also heilen - oder damit erheblich verbessern, sodass den jungen Patienten ein fast normales Leben gewährt werden kann. Diese Behandlungsmethoden sollen nun im Ayder Hospital so etabliert werden, dass das äthiopische Team der Kinderkardiologen selbstständig in der Lage ist, die Patienten zu behandeln. Um das lokale Team zu trainieren und Patienten zu behandeln, wurde in zwei vorherigen Workshops bereits die Basis für diese neuen Techniken gelegt und Ärztinnen und Ärzte ausgebildet. Ein kontinuierliches und realitätsnahes Training ist elementar, damit die Ärzte im Ayder diese Techniken erlernen und dann sicher an den Patienten anwenden können.
Prof. Haas (LMU Klinikum, München) reiste dieses Mal zusammen mit seinen Kollegen, Herrn Dr. Jakob (Kinderkardiologe) und Frau Hopfner (Ingenieurin für Medizintechnik), sowie 3D-gedruckten Herzmodellen und Übungsmaterial im Gepäck an. Die 3D-Modelle wurden seit dem letzten Training professionell überarbeitet, sodass sie die reale Patientenanatomie nun eins zu eins abbilden. Sehr positives Feedback aus mehreren Trainingskursen in deutschen und österreichischen Kliniken hat die Realitätsnähe der gesamten Übungssetups bestätigt. Die mitgebrachten Modelle repräsentierten die Anatomie des Herzens mit einem einfachen aber sehr bedeutenden Herzfehler, der Pulmonalstenose. Dabei ist die Klappe zur Lungenschlagader massiv verengt, sodass der gesamte Kreislauf erheblich gebremst ist. Als Folge sind die Patienten in Ihrer Leistungsfähigkeit bedeutend reduziert. Teilweise ist sogar wegen einer unzureichenden Sauerstoffsättigung die Versorgung des Körpers gefährdet. Viele Patienten sind schwer krank.
Die Modelle der Pulmonalstenose waren in verschiedenen Größen angefertigt: Baby, Teenager und Erwachsener. Zunächst wurde ein ganzer Tag nur der Ausbildung an den 3D-Herzmodellen gewidmet. Die äthiopischen Kollegen konnten die Prozedur der Pulmonalstenosen-Intervention (=Katherterbehandlung) an den verschieden großen Modellen üben und beliebig oft wiederholen, um Routine in den Handgriffen zu gewinnen. Im Bild sieht man wie das 3D-gedruckte Modell anstelle eines Patienten auf dem Kathetertisch positioniert wurde. Das flexible 3D-Druckmaterial ist röntgendicht und somit in der Durchleuchtung sichtbar. Die Ärzte können daher auf dem Bildschirm vor sich die Konturen des 3D-Herzens sehen und wie sie den Katheter im Modell manipulieren, wie bei einer echten Herzkatheterintervention am Patienten. So kann der gesamte technische Ablauf eines Eingriffs geübt werden, zum Beispiel vom Zugang über die Beinvene bis hin zur Dilatation der Pulmonalstenose mittels Ballonkatheter.
An den darauffolgenden vier Tagen wurde jeweils morgens zur Auffrischung erneut am Modell trainiert und anschließend das Gelernte direkt auf den Patienten übertragen. So wurden insgesamt acht Patientinnen und Patienten mit Pulmonalstenose behandelt. Unter anderem auch ein 17-jähriges Mädchen, das aufgrund des Herzfehlers so extrem eingeschränkt war, dass es kaum laufen und die Schule nicht mehr besuchen konnte. Ihr konnte - wie auch den anderen Patienten - vom äthiopischen Team unter Anleitung von Prof. Haas mithilfe des Kathetereingriffs an der Pulmonalklappe geholfen werden. Direkt nach dem Eingriff hatte die junge Dame eine normale Gesichtsfarbe, die Sauerstoffkonzentration war wieder normal, und sie lächelte erstmals während des gesamten Krankenhausaufenthalts. Auch Ihr Vater, der sie begleitete, war überglücklich. Sie wird nun wieder in die Schule gehen können und ein normales Leben genießen.
Um das Projekt nachhaltig zu gestalten, bleiben die 3D-Modelle inklusive Übungsmaterial nach jedem Trainingsblock im Ayder Hospital. Wöchentlich üben die äthiopischen Ärzte im Team am 3D-Modell, um weiter Sicherheit und Routine im Umgang mit dem Katheter zu gewinnen. In einer What’s App-Gruppe halten sie uns in Deutschland auf dem Laufenden und berichten wöchentlich von Ihren Trainingssessionen. Die angehenden Kinderkardiologen bleiben durch das Üben an den 3D-Herzen am Ball und verlernen die innerhalb nur einer Woche vermittelten Handgriffe nicht wieder. Es zeichnet sich sogar jetzt schon ab, dass das Training an den Modellen zu einer bedeutenden Steigerung der Lernkurve und einem routinierten Umgang mit dem Equipment im Katheterlabor führt, obwohl derzeit noch keine Kathetereingriffe ohne die Unterstützung von Prof. Haas im Anschluss an die Trainingswoche stattgefunden haben.
Das langfristige Ziel ist selbstverständlich die eigenständige Patientenbehandlung im Herzkatheter durch das äthiopische Kinderkardiologen-Team. Dazu wird das Behandlungsspektrum Schritt für Schritt auf weitere Herzfehler und -erkrankungen bei Kindern ausgeweitet. Dazu wird jeweils wieder zunächst am Modell trainiert und das Gelernte anschließend auf den Patienten übertragen. Daher planen wir so bald wie möglich (voraussichtlich April 2020) bereits die zweite Reise im Rahmen des Klinikpartnerschaftenprojekts und wollen wieder für fünf Tage die Kollegen im Ayder Hospital besuchen. Die Vorbereitungen in Deutschland und Äthiopien, und auch der 3D-Drucker laufen schon auf Hochtouren.