Das Schulsystem in Äthiopien
Aufbau, Probleme, Hilfsmöglichkeiten, Zahlen und Beispiele
Auszug aus dem Praktikumsbericht von Moritz Niemann vom Aufenthalt in der äthiopischen Stadt Debre Zeiyt (Bishoftu) im Dezember 2010‚
1.Allgemeines:
Das aktuelle Schulsystem in Gesamt - Äthiopien wurde vor 5 Jahren von einer Gruppe Deutschen neu entworfen und von der Regierung zugelassen. In mancher Hinsicht ist es dem deutschen System daher ähnlich.[1]
Die Kinder werden mit sieben Jahren eingeschult. Dann beginnt für sie der erste Abschnitt ihrer Schullaufbahn, der „First Cycle“. Während dieses Abschnitts bekommen sie den Schulstoff in der jeweils lokalen Sprache vermittelt. Hier vor Ort ist werden sie also in „Bishoftuu“ unterrichtet. Während dieser Zeit werden alle Fächer nur von einem Lehrer
(„general teacher“) unterrichtet.
Der sogenannte „Second Cycle“ beginnt ab der 5. Klasse und endet mit einem Staatsexamen in der 8. Klasse. Die Schüler werden während dieses Abschnitts auch an die Landessprache Amharisch herangeführt und nicht mehr getrennt nach ihrer Muttersprache unterrichtet.
Die Schüler, die das Examen in der 8. Klasse nicht bestehen, müssen die 8. Klasse wiederholen und das Examen noch einmal machen. Sollten sie auch beim zweiten Versuch nicht bestehen, können sie diese Schule nicht weiter bis zur 10. Klasse besuchen, sondern werden zu „Technical Schools“ geschickt. Technical Schools sind zwar auch Teil der Vocational Schools; die Schüler werden hier jedoch weniger gefordert.
Nach der 8. Klasse beginnt die Highschool, die das 9. und 10. Schuljahr abdeckt. Während dieser Zeit findet der Unterricht in Englisch statt. Am Ende der 10. Klasse gibt es wieder ein Staatsexamen, dessen Bestehen bzw. Nichtbestehen darüber entscheidet, ob ein Schüler zur Vocational School oder zur Preparatory School geht.
Vocational School:
Die Vocational School, auch TVET ( Technical and Vocational Educational Training), besteht aus vier Ebenen. An dieser Schule werden diejenigen, die das Examen nach der 10. Klasse nicht bestehen, weitergebildet.
Man muss nicht für alle Berufe alle vier Ebenen durchlaufen haben.
Die Anzahl der zu durchlaufenden Ebenen hängt direkt von der Komplexität des späteren Berufes ab. Auch die Dauer der verschiedenen Ebenen hängt davon ab. Sie kann zwischen drei und sechs Monaten variieren.
Bsp.: Jemand, der sich im Bereich „Bauarbeit“ auf den Straßenbau spezialisiert, muss nur die zweite Ebene durchlaufen und ist dann fertig ausgebildet.
Preparatory School:
Die Preparatory School ist als Vorbereitung auf die Universität für die Schüler gedacht, die das Staatsexamen nach der 10. Klasse bestanden haben.
Die Schüler suchen sich ihren jeweiligen Schwerpunkt bei Beginn der Preparatory School aus. Sie können zwischen Social Science und Natural Science wählen.
Die Preparatory School erstreckt sich über die Stufen 11 und 12, an deren Ende wiederum ein staatliches Examen abgelegt werden muss. Erst dann entscheidet sich endgültig, wer
zur Universität gehen kann. Dabei spielt die erworbene Punktzahl im Examen keine Rolle. Es zählt nur, ob man das Examen besteht, es gibt also keine Zulassungsbeschränkungen.
Die Punktzahl, die in dem Examen erworben werden muss, hängt direkt von den zur Verfügung stehenden Studienplätzen ab. Gibt es wenige Studienplätze, aber viele Schüler, steigt die zu erreichende Zahl der Punkte. Sind es wenige Schüler und viele Studienplätze, sinkt die zu erreichende Punktzahl. Kurz, die Ansprüche an die Schüler hängen von dem Verhältnis zwischen Studienplätzen und Schülerzahl ab.
Schüler, die diese letzte Hürde auf dem Weg zur Universität nicht bestehen, können direkt weiter zur Vocational School gehen. Dort fangen sie dann jedoch nicht bei Ebene eins an, sondern beginnen direkt auf der Ebene fünf („poly technical“), da sie schon zwei Jahre auf der Preparatory School hinter sich gebracht haben.
Dieses Level ist ausschließlich für Schüler, die das Examen am Ende der 12. Klasse nicht bestanden haben zugänglich. Hier werden sie noch einmal auf einer höheren Ebene ausgebildet, als diejenigen Schüler, die schon nach der 10. Klasse auf die Vocational School gegangen sind.
Finanzierung der Schulausbildung:
Grundsätzlich ist die Schulausbildung an allen staatlichen Schulen bis zur 12. Klasse und in den Vocational Schools kostenlos.
Das ist an den Universitäten anders. Hier steht die Regierung den StudentInnen mit einer Art Bafög („Government Loan“ oder „Cost Sharing“) zur Seite. Die Studenten müssen dieses Geld erst zurückzahlen, wenn sie eine Arbeit antreten. Sollten sie ihre Arbeitsstelle verlieren oder auf andere Art zahlungsunfähig werden, brauchen sie erst dann weiter zahlen, wenn ihre Liquidität durch ein regelmäßiges Einkommen wieder sichergestellt ist.
2. Am Beistpiel von Schulen in der Stadt Debre Zeiyt:
Verbreitung und Anzahl der Schulen / Schüler:
Die privaten Schulen mit eingeschlossen, gibt es insgesamt 38698 Schüler in Debre Zeiyt.
In Debre Zeiyt gibt es vierzehn Primary Schools. Diese Primary Schools umfassen zum größten Teil die Stufen eins bis acht. Einige wenige umfassen nur die erste bis vierte Klasse. Weiterhin existieren zwei staatliche und zwei private Highschools, sowie eine Preparatory - und eine Vocational School. Die Primary Schools sind so in der Stadt verteilt, dass alle Kinder bzw. Jugendliche aus umliegenden ländlichen Gebieten einen ähnlich weiten Schulweg haben. So geht ein in der nördlichen Region lebender Schüler zu einer der Primary Schools, die im Norden der Stadt liegt. Laut Aussage des Bürgermeisters liegt der maximale Schulweg für die Kinder aufgrund dieser Verteilung bei ca. 6 – 10km (hin und zurück).
Die Anschaffung von Schulbussen für die insgesamt 23698 Schüler an den staatlichen Schulen kann sich die Stadt finanziell nicht erlauben.
Die Regierung plant den Bau von Primary Schools in jedem Dorf, um den Schulweg zumindest für die kleineren Kinder und Teenager zu verkürzen. Außerdem soll dies gewährleisten, dass alle Kinder Zugang zu einer Schulausbildung haben.
Zustand, Ausstattung und Bedingungen an den Schulen:
Die Schulen sind größtenteils sehr einfache Gebäude aus Wellblech, Lehm oder Stein. Lt. Bürgermeister sind die meisten in einem extrem schlechten Zustand. Das betrifft nicht nur das äußere Erscheinungsbild, sondern auch die Ausstattung.
- Es stehen den Schülern nicht genügend Labors für naturwissenschaftliche Fächer zur Verfügung. Die Labors bzw. fachbezogenen Räume (Chemieräume, Biologieräume etc.), die existieren, sind extrem einfach ausgerüstet.
- Die jeweiligen Büchereien in den Schulen stellen ein weiteres Problem in der Ausstattung dar. Sie bieten zu wenig Platz für genügend Schüler, sind unzureichend ausgestattet oder sind sogar aufgrund ihres schlechten Zustandes geschlossen. Insgesamt ist der Zustand der Büchereien in den Primary Schools am schlechtesten.
- Ein großes Hindernis wird auch in der Anzahl und Ausbildung des Lehrkörpers gesehen (fachlich und pädagogisch).
- Die durchschnittliche Schülerzahl in einer Klasse in einer Schule in Debre Zeiyt liegt bei 50 Schülern. Deshalb ist es ein großer Erfolg für eine Schule, wenn sie ihre durchschnittliche Schülerzahl pro Klasse auf z.B. 45 reduzieren kann.
- Der Verwaltungsbereich in den Schulen ist nur unzureichend besetzt. Die jeweiligen Direktoren und Mitarbeiter sind kaum imstande, eine Schule gut durch zu organisieren und in gutem Zustand zu halten
- In der Highschool wird damit begonnen, den Unterricht ausschließlich in Englisch durchzuführen. Das bereitet den Schülern oft erhebliche Probleme, da eine frühe Förderung der englischen Sprache in den meisten Fällen ausbleibt. Ihnen fehlen praktische Übungsmöglichkeiten, da sie zu Hause nach der Schule, wieder ihre jeweilige Muttersprache sprechen. Das hat zur Folge, dass viele Schüler das Staatsexamen nach der 10. Klasse nicht bestehen und ihnen dadurch der Weg zur Universität verwehrt wird.
Vorher war es weit weniger komplex aufgebaut. Die Schule ging, ohne Ausnahme, von der ersten bis zur zwölften Klasse. Nach einem Staatsexamen in der zwölften Klasse gingen die Schüler entweder zur Vocational School oder zur Universität.
Ende